Persönlich empfinde ich Pegida eine Schande für Deutschland. Das habe ich auch angekreuzt. Aber wer geht denn da auf die Straße und warum? Wenn man sich die Studie der TU Dresden anschaut, dann wird das Bild ein wenig klarer. Wer Zeitung liest und sich mit den Menschen unterhält, der fängt an zu verstehen. Zu verstehen wie die Ängste der Menschen gebaut sind und zu verstehen wie gefährlich solche Strömungen für die Demokratie ist.
Nur knapp ein Viertel der DemoteilnehmerInnen sind "Islam, Islamismus oder Islamisierung"-motiviert. An erster Stelle steht die Abneigung gegenüber der derzeitigen Politik. Was geht da? Der größte Teil der Befragten hat ein monatliches Einkommen zwischen 801 und 1500 Euronen netto. Das sind prekäre Einkommensverhältnisse. Rührt daher die Unzufriedenheit? Wovor haben die Menschen denn nun wirklich Angst? Warum gehen sie auf die Straße?
Jedes Jahr sterben in Deutschland über 70.000 Menschen an den Folgen von Alkoholmissbrauch. Hat jemand Angst vor Alkohol?
Die Menschen haben gerade im Osten 25 Jahre nach dem Mauerfall die Schnauze voll. Keine blühenden Landschaften, hohe Arbeitslosigkeit, Jugend- und Altersarmut. Sie haben sie ihre Werte aufgebaut, sind aber dennoch unzufrieden. Sie wollen vom Wohlstand abhaben, sie wollen was verändern, sehen sich von der Politik im Stich gelassen.
Leider lassen sich die wenigsten auf den Demons und Kundgebungen der Gewerkschaften sehen, wenn es gegen Sozialabbau und für eine gerechtere Politik geht.
Die Hintergründe sind einfach erklärt. Es klingt blöd, wenn die Gewerkschaften aufrufen. Es geht den Menschen nicht an die Gefühle und das spielt hier eine große Rolle.
Diese Menschen treiben echte Gefühle um. Angst vor allem, und die Wut darüber, als vermeintliche Mehrheit weniger Beachtung zu finden als die Minderheiten. Sie versuchen auf den Kundgebungen, diese Gefühle zu Wahrheiten zu rationalisieren. Herauskommen dabei natürlich nur gefühlte Wahrheiten. Zum Beispiel: Asylbewerber werden besser umsorgt als Rentner, die Muslime und ihre Freunde bestimmen längst die Politik, und bald wollen sie uns sicher auch den Christstollen wegnehmen.
Und mit diesen Gefühlen spielen rechtspopulistische Gruppierungen. Der Nazi ist schon lange nicht mehr der Hool mit Bomberjacke und Springerstiefel. Die braune Brut ist ausgebufft und schafft es mit ihren gefühlsbetonten Parolen die Aufmerksamkeit der Menschen auf sich zu ziehen. Was nun fehlt ist ein wahrer Führer. Sollte man wieder im südlichen Nachbarland suchen?
Wer sind denn die geistlichen Führer der Pegida? Bachmann, ein mehrfach vorbestrafter Justitzflüchtling aus Dresden. Schon allein sein Lebenslauf sollte den denkenden Bürger nicht in die Pegida-Demo, sondern zu Mutti nach Hause auf die Couch treiben.
Kathrin Oertel, eine dreifache Mutter aus Dresden mit einem Geburtsnamen, den auch Asylbewerber tragen könnten. Sie ist die unscheinbare aber durchsetzungsfähige Figur in der Pegida. Pressesprecherin und Schatzmeisterin. Warum ist sie bei Pegida?
Hier Auszüge aus dem Jauchauftritt:
Frage: Was will Pegida eigentlich?
Oertel: „Pegida will eigentlich wachrütteln, wir wollen auf die Defizite aufmerksam machen, die in den letzten Jahren im Prinzip durch unsere Regierung zustande gekommen sind, und mit deren Auswirkungen wir im Moment einfach leben müssen.“
Nachfrage: Und warum ist die Islamisierung so ein Problem?
Oertel: „Es gab natürlich einen riesengroßen Frust in der Bevölkerung auf die Regierung und wie im Prinzip das Volk überhaupt nicht mehr wahrgenommen wurde, man kann halt eben wirklich sagen, dass natürlich auch die Islamisierung ein Teil davon ist.“
Doch bei gründlicher Suche lassen sich doch noch einige wenige Fakten in Oertels Aussagen aufspüren. Um genau zu sein: drei.
Erstens: In Deutschland hätten Friedensrichter das Recht, Recht zu sprechen, sagt Oertel. Tatsächlich gibt es in Deutschland inoffiziell auftretende Friedensrichter, die im Konfliktfall zwischen muslimischen Streitparteien vermittelnd verhandeln. Sie haben allerdings keineswegs das Recht, Recht zu sprechen – das dürfen nur Gerichte. Trotzdem haben auch Politiker etablierter Parteien in der Vergangenheit vor dem Entstehen einer Paralleljustiz gewarnt.
Zweitens: Oertel wirft der Politik vor, dass gewisse Themen in den letzten Jahren „absolut tabu“ gewesen seien. „Man durfte weder das Wort Asyl in den Mund nehmen, noch durfte man über Migranten sprechen“, sagt sie. Das ist, gelinde gesagt, Unsinn. In den vergangenen Jahren wurde in der Politik viel über Asyl und Migration diskutiert – durchaus kontrovers, wie zum Beispiel die Bücher von Thilo Sarrazin oder dem Neuköllner Bürgermeister Heinz Buschkowsky zeigen.
Drittens ist ein Mini-Fakt: Die Wahlbeteiligung bei sächsischen Landtagswahl beziffert Oertel mit 50-Prozent – und untermauert damit „das Vakuum zwischen Politik und Volk“. Etwas unorthodox gerundet, aber okay: Es waren sogar noch etwas weniger – nur 49,2 Prozent gingen in Sachsen zur Urne.
Ich persönlich sehe die Notwendigkeit in der Politik etwas zu verändern. Nicht auf dem Rücken der AsylbewerberInnen, sondern zu Gunsten der Menschen. Da gibt es viele Themen, Hartz IV, Bildungspolitik, Kriegspolitik, Jugend- und Altersarmut, Arm trotz Arbeit und und und. Doch sollen sich die damit beschäftigen, die dafür da sind, unterstützt von denen, die es brauchen. Ohne rechtspolpulistische, ausländer- und fremdenfeindliche Parolen.