Neues Deutschland vom 19.04.2010
Hansa droht Absturz in die Drittklassigkeit
Durch die 1:2-Heimniederlage gegen FSV Frankfurt rutschen die Rostocker auf den Relegationsplatz
Für Horst Klinkmann ist der Weg durch die Ehrenloge beschwerlich. Immer wieder nestelt jemand an seinen Ärmeln, hält ihn fest, bittet ihn, noch einmal aktiv zu werden, für Ordnung zu sorgen, nun, da alles den Bach runter geht. »Junge komm bald wieder«, diesen Spruch hört er nicht zum ersten Mal. Der 74-Jährige würde, wenn er könnte, aber er kann nicht, Klinkmann muss auf seine Gesundheit achten. Mehr als vierzig Jahre prägte er Hansa, als Gründungsmitglied, später als Chef des Aufsichtsrates. Inzwischen symbolisiert er die Sehnsucht der Fans, die Nostalgie, die seinen Klub umgibt. Der FC Hansa, der sich von 1995 an ein Jahrzehnt in der Bundesliga hielt, hat nicht mehr viel, worauf er stolz sein kann.
Am Samstag schritt Klinkmann durch die Rostocker Arena, mit gefrorenem Blick, er konnte kaum sprechen, als habe ihm jemand sein Lebenswerk geraubt. Zum zweiten Mal in einer Woche hatte der FC Hansa nach einer Führung 1:2 verloren, zum zweiten Mal triumphierte der Gegner in der Nachspielzeit, erst Karlsruhe, nun der FSV Frankfurt. Die Rostocker, die müde und uninspiriert spielten, sind erstmals in dieser Saison auf den Relegationsplatz gefallen, an der Schwelle zur Dritten Liga. »Nie hätte ich gedacht, dass es so schnell bergab gehen würde«, sagt Klinkmann. »Das ist sehr traurig.«
Für Klinkmann war Hansa stets Projektionsfläche: Seht her, auch wir im Nordosten können mit dem wohlhabenden Westen mithalten! Ihm war klar, dass der Verein nicht ewig in der höchsten Klasse mithalten würde, zu groß ist der wirtschaftliche Standortnachteil. Aber zweite Liga? »Dafür sollte es reichen.« Für den Absturz gibt es keine Ausreden: Missmanagement, Konzeptlosigkeit, der Klub scheint sich leidenschaftlich in den Ruin zu wirtschaften. Von einem Funktionär mit Format fehlt jede Spur.
Der Lebensentwurf gleicht einem Würfelspiel. Es wird so lange geschüttelt, bis eine andere Zahl erscheint – der Würfel bleibt jedoch immer derselbe. Trainer Andreas Zachhuber wurde von Assistent Thomas Finck beerbt. Dem fehlte die Lizenz, also folgte ihm Torwarttrainer Marco Kostmann. Vorstandschef Dirk Grabow wurde zum Rücktritt gedrängt, darf aber als Finanzchef weiter werkeln – auf dem wichtigsten Posten. Manager ist René Rydlewicz. Er hatte in der glorreichen Zeit schöne Freistoßtore für Hansa erzielt. Dass er mit der Rotlichtszene in Verbindung gebracht wurde, dass ihm Erfahrung in Betriebswirtschaft und Management fehlte, spielt scheinbar keine Rolle. Ob die Telefonanlage der Geschäftsstelle nur auf Ortsgespräche programmiert ist? Wie sonst ist zu erklären, dass die Rostocker personelle Innovation wie kaum ein anderer Klub meiden?
Für eine Revolution ist es zu spät. Der FC Hansa muss die Gehälter von vier entlassenen Führungskräften zahlen, von zwei Trainern, einem Manager, einem Marketingchef. Auch in dieser Spielzeit wird das Defizit bei zwei Millionen Euro liegen. Die Verbindlichkeiten betragen rund 6,5 Millionen. Können die Rotationsgelüste zu Lizenzproblemen führen? Ist die erstklassige Infrastruktur mit Stadion und Nachwuchsakademie in der dritten Klasse, in der Erträge und Aufwendungen mehr als halbiert werden, überlebensfähig? Vorstandschef Jörg Hempel verweist auf den neuen Hauptsponsor und 19 Spielerverträge, die auch nach Abstieg Gültigkeit besäßen. Hempel wird nach der Saison seinen Posten räumen, der Aufsichtsrat muss einen neuen Vorstand bestellen. Die Chaostage werden weiter gehen.
»Und Ihr wollt Hansa Rostock sein?«, schrien tausende Fans nach dem Spiel. Horst Klinkmann hatte denselben Gedanken, nur ist das Schreien nicht seine Art.
leider sehr treffend beschrieben...