Capello und Co. verlassen das sinkende Schiff
Veröffentlicht am 02.06.2006 um 12:41 Uhr
Quelle: dpa
Juventus Turins Trainer Fabio Capello verlässt das
sinkende Schiff. Und mit ihm sind auch fast alle Stars schon auf der
Flucht vor dem drohenden Zwangsabstieg. Die Weltmeisterschaft in
Deutschland wird zur Bewerbungsbühne für die Juve-Stars. Nur Kapitän
Alessandro del Piero schwört dem Rekordmeister ewige Treue. Noch vor
dem für Anfang Juli in Rom geplanten Prozess des italienischen
Fußballverbandes (FIGC) gegen Ex-Juve-Manager Luciano Moggi und seine
mutmaßlichen Komplizen wird Juve eine Massenflucht erleben.
«Ein Kavalier verlässt seine Dame nicht», hatte Del Piero bei
seiner jüngsten Vertragsverlängerung bei der «Vecchia Signora» (Der
Großen Alten Dame) des italienischen Fußballs gesagt. Damals
herrschte noch eitel Sonnenschein, jetzt aber steht Del Piero auch in
der Not zu seinem Wort. So viel Liebe zum Verein bringt
Meistertrainer Capello nicht auf. Der Weltenbummler, der in den
letzten Jahren acht Meistertitel mit dem AC Mailand (4), AS Rom (1),
Juve (2) und Real Madrid (1) gewonnen hat, zieht es zurück zu den
Königlichen nach Spanien. Reals Präsidentschaftskandidat Ramon
Calderon verkündete Capellos Rückkehr bereits als so gut wie sicher.
Für die Serie B steht Capello Juve offensichtlich nicht zur
Verfügung. Auch in einem vierstündigen Gespräch mit Juve-
Geschäftsführer Carlo Sant`Albano war Capello nicht umzustimmen. Da
man in Turin nicht auf den Ausgang der Prozesse in letzter Instanz
bis Ende Juli warten kann, will man nun Walter Novellino von
Sampdoria Genua holen. Capello soll als seinen Nachfolger Ex-Juve-
Spieler Roberto Donadoni empfohlen haben. Juves früherer Superstar
Michel Platini habe für seinen Landsmann Didier Deschamps votiert.
Im Schlepptau von Capello wollen nach Angaben der «La Gazzetta
dello Sport» die Nationalspieler Fabio Cannavaro und Gianluca
Zambrotta Capello ebenfalls zu Real wechseln. Auch Emerson und Zlatan
Ibrahimovic ziehe es zu Real. Pavel Nedved dagegen denke im Falle des
Zwangsabstiegs ans Karriereende. Die Franzosen David Trezeguet,
Patrick Viera und Lilian Thuram seien ebenfalls auf dem Absprung.
Fraglich sei lediglich noch, ob auch Nationaltorhüter Gianluigi
Buffon das Weite suche.
Schwer vorstellbar, dass die Nationalelf bei der WM nicht von der
rasanten Talfahrt des Rekordmeisters und dem Fußball-Skandal
heruntergezogen wird. FIGC-Chef Guido Rossi hatte zwar zugegeben,
dass «alles noch viel schlimmer, als erwartet sei», zugleich aber
auch die Hoffnung gehegt, die «Azzurri» aus dem Skandal-Sog
heraushalten zu können. Nach Torwart Buffon muss am Samstag
allerdings in Kapitän Cannavaro der nächste Nationalspieler zum
Verhör zur Staatsanwaltschaft nach Rom.
Spötter fragen in Italien bereits, ob die Staatsanwälte die
Nationalspieler während der WM-Spiele auch noch in den Halbzeitpausen
verhören werden. Italien macht sich Sorgen um seine Azzurri. «Hört
auf zu heulen», sagte dagegen Brasiliens Trainer Carlos Alberto
Parreira. Der Skandal werde Italien nicht aufhalten, die Anspannung
tue dem Team sogar gut, meinte Parreira.
Die Staatsanwaltschaften und die FIGC-Ermittler setzen ihre Arbeit
unterdessen fort. Der Präsident des wegen eines gekauften Spiels in
die Serie C verbannten FC Genua, Enrico Preziosi, bestätigte der
Staatsanwaltschaft Neapel, dass es in Italien schon lange nicht mehr
mit rechten Dingen zuging. «Ich habe schon vor vier Jahren gesagt,
dass hier was faul ist», sagte Preziosi.