Juve droht im Moggi-Skandal Zwangsabstieg - Vorstand tritt zurück
Kurz vor seinem 29. Titelgewinn wird Juventus Turin
immer tiefer in den Strudel des italienischen Fußball-Skandals
gerissen. Jetzt hat die Staatsanwaltschaft Neapel den Rekordmeister
selbst mit acht weiteren Erst- und Zweitligisten ins Visier genommen.
Sollte Juve-Manager Luciano Moggi tatsächlich mit Hilfe von korrupten
Schiedsrichtern und Verbandsfunktionären in der Saison 2004/2005
Serie-A-Spiele manipuliert haben, droht Italiens berühmtestem
Fußball-Club laut der «Gazzetta dello Sport» der Zwangsabstieg.
Der Juve-Vorstand trat unter dem Druck der sich überschlagenden
Ereignisse am Donnerstagabend geschlossen zurück. Am 29. Juni wollen
die Aktionäre unter Führung der Agnelli-Familie über das neue
Spitzengremium beraten. Die Vorfreude auf das Saisonfinale am Sonntag
ist damit endgültig dahin. Dabei würde Juve (88) bei Reggina Calcio
schon ein Punkt reichen, um vor Verfolger AC Mailand (85/daheim gegen
AS Rom) durch das Ziel zu gehen.
Verliert das vom Skandal verunsicherte Juve, wäre Milan mit einem
Heimsieg wegen der Erfolge im direkten Vergleich Meister. Seit Wochen
befindet sich Juventus im Presseboykott. Kein Wort dringt heraus, das
Chaos aber ist auch mit bloßem Auge erkennbar: Kapitän Alessandro Del
Piero verließ nach einem Streit mit Trainer Fabio Capello das
Training. Capello scheint auf dem Absprung Richtung Inter Mailand.
Das Team zerfällt, die Führungsriege steht unter Beschuss und kurz
vor der Abberufung durch die entsetzte Besitzerfamilie der Agnellis.
Nun wurde auch noch bekannt, dass die Staatsanwaltschaft Turin schon
seit Monaten gegen Juve-Geschäftsführer Antonio Giraudo wegen
Bilanzfälschung ermittelt. Täglich neue Enthüllungen stürzen Juventus
immer tiefer in die Krise und reißen den halben italienischen Fußball
mit sich: Nach dem Präsidenten des Fußballverbands FIGC, Franco
Carraro, ist nun auch dessen Stellvertreter Innocenzo Mazzini
zurückgetreten. Knapp einen Monat vor dem Start der Weltmeisterschaft
in Deutschland ist Italiens Fußballverband enthauptet.
«Das ist wie Tangentopoli», sagte der in die Politik gewechselte
Mailänder Staatsanwalt Antonio Di Pietro am Donnerstag. Mit seinen
Schmiergeld-Ermittlungen brachte er Anfang der 90er Jahre das gesamte
Parteiensystem Italiens zu Fall. Nun kündigt sich eine ähnliche
Revolution im italienischen Fußball-Systems an: Neben Juventus hat
Staatsanwalt Giorandomenico Lepore in Neapel auch Florenz, Lazio Rom,
Udinese, Siena, Messina, Arezza, Crotone und Avellino ins Fadenkreuz
genommen. Drei Clubs droht eine Anklage wegen Sportbetrugs und damit
auch der Zwangsabstieg, berichtetet die «Gazzetta dello Sport».
Alle Clubs hatten ebenso wie die in den Skandal verstrickten
Referees, Funktionäre, Spielervermittler und Fußballer engen Kontakt
zu Moggi. Dessen von der Staatsanwaltschaft Turin 2004 abgehörten
Telefongespräche brachten die Staatsanwälte in Rom und Neapel sowie
die FIGC-Ermittler auf die Spur der mutmaßlichen Betrüger. In Neapel
sollen weitere rund 50 Ermittlungsbescheide bereitliegen.
Bei vielen Verdächtigten wird sich später wohl ihre Unschuld
herausstellen. Ihr Ruf ist dennoch ruiniert, beklagen vor allem die
betroffenen Referees wie WM-Schiedsrichter Massimo De Santis. Er
sprach bereits mit der Staatsanwaltschaft Neapel, schweigt aber wie
alle Verdächtigten. Der Weltfußball-Verband FIFA steht vor einem
großen Problem: Die Ermittlungen gegen De Santis wegen Mitgliedschaft
in einer kriminellen Vereinigung erschüttern dessen Glaubwürdigkeit.
Ein Verzicht auf De Santis aber käme einer Vorverurteilung gleich.